Mittwoch, 23. Juni 2010

Kritik: Robin Hood (29.05.2010)

Gesamteindruck: ✪✪✪✪✪✪
Darsteller       ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✪
Drehbuch       ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Dramaturgie   ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Innovation      ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Kamera/Optik ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✪
Soundtrack     ✰ ✰ ✰ ✰ ✰ ✰

CINEtologisches Fazit:

Was kann dir besseres passieren, als wenn ein historisch legendärer Charakter, zu dem dir der Zugang bislang durch mehr romantisch (König der Diebe von 1991) oder gar komödiantisch (Helden in Strumpfhosen von 1993) denn heroisch aufgezogene Verfilmungen versperrt wurde, final von einem geadelten Regisseur mit epochalen Referenzen und seiner schauspielenden, für die Produktion mitverantwortlichen, Inspirationsquelle aufgegriffen und (nicht nur muskulär) neu definiert wird?!

Was der Wolfstänzer Kevin und dem Hot Shot Boy Cary in den Augen des Gründer-CINEtologen mit ihrer wenig inspirierenden Darstellung der historischen Person des Robin Longstride a.k.a Sir Robert Loxley b.k.a. (= better known as) Robin Hood gründlich in den mittelalterlichen Set-Sand gesetzt haben, wird von Russel Crowe nun endlich auf das dem zugrundeliegenden heldensagenumwobenen Stoff angemessene Niveau gehoben:
Aus der verweichlichten bis lächerlichen Figur der 1990er Jahre wird 2010 ein würdevoller Charakter mit einer Tiefendimension, die fast zwei Filmdekaden als schmerzlich vermisst galt und nun dank der sorgfältigen Suchaktion eines Sir Ridley Scott (was wäre die Filmgeschichte ohne seinen Gladiator oder sein Königreich der Himmel?!) doch noch auf die Leinwand geholt werden kann.

Mit Mr. Crowe, Mrs. Blanchett und Mark Strong wurde eine Personenkonstellation geschaffen, die ich einerseits zum ersten Mal ernst nehmen kann und die andererseits die für meine Vorstellung von einer ganzheitlichen Charakterstudie nötige Erfahrung mitbringen und sie auszuspielen wissen. Muss ich betonen, dass die Verkörperung des Protagonisten Robin Longstride dabei herausragend brillant geschliffen ist?!
An Plottempo und Drehbuch dürfen im Mittelteil kleinere Kritikpunkte herangetragen werden, sollten aber in ihrer Gewichtung nicht darüber hinwegtäuschen, wie ausgesprochen überzeugend und innovativ diese der eigentlichen Legendenbildung um Robin Hood vorgelagerte Erzählung ist. Dass die mittelalterliche Schlacht um die englische Küste sich scheinbare Anleihen an dem weltkriegerischen Sturm auf die Normandie nahm, möchte ich zumindest – kurzfristig irritiert – angemerkt haben.
Eine negative Kritik aus meinem Mund (über die Finger zu einem Blogpost konvertiert) zur Kamera (hier verantwortlich: John Mathieson) bzw. Optik darf nicht ernsthaft erwartet werden. Nennt es Prägung, klassische Konditionierung - mich packt die unter der Regie von Mr. Scott entstehende Bildgewalt und Dynamik jedes Mal auf’s Neue.
Ein Historienfilm steht entweder auf solidem bis entwicklungsförderlich-humusreichem musikalischem Grund oder fällt leblos auf ein länger nicht gemachtes Musikbett. Marc Streitenfeld bewegt sich auf ersterem.

An das Ende dieser Rezension setze ich einen Ausdruck der Zufriedenheit darüber, dass es Ridley Scott mit seinem Team und insbesondere mit der auf Russel Crowe gefallenen Wahl als Hauptdarsteller vollbracht hat, mir die klassische Figur nach (laut Wikipedia immerhin:) sieben vorausgegangenen Verfilmungen seit 1922 am Ende erfolgreich nahezubringen.

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Russel Crowe
wurde für seine Rolle in
Robin Hood
für die
nominiert.

4 Kommentare:

  1. Ok, Du hast es so gewollt (also Kommentare).
    Ridley Scott hat seiner Fantasie freien Lauf gelassen und sie ist ihm entfleucht.
    Wer ist bitte schön Robin Longstride und seit wann hat dieser Name irgendwas mit Robin Hood zu tun? Die Vorgeschichte sieht sich zwar schön an, ist aber sowas von an den Haaren herbeigezogen und ist historisch noch lächerlicher als "Costners Film" (weil total unkorrekt verwurstet).
    Russel Crowe ist unbestritten ein wunderbarer Schauspieler, für das, was ihm als Robin Hood jedoch bevorsteht gut 15 Jahre zu alt, wenn das mal reicht.
    Scotts Robin Hood ist zwar "modern" verfilmt, ansonsten für mich aber genauso glaubwürdig wie Disneys Zeichentrickversion.

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  2. Meine Meinung bewegt sich irgendwo dazwischen: klar, Scott kann durch Bildkomposition erschaffen, ausgestalten und mitreißen, wie es keinem zweiten Regisseur gelingt - nur gelang es ihm halt schon deutlich besser als hier. Auch Russell Crowe hat mich hier längst nicht so gepackt, wie er es in "Gladiator" und eigentlich fast immer schafft und so war "Robin Hood" in diesem Jahr wie "Public Enemies" im letzten: viel zu gucken, nix zum fühlen. Ob und wie weit das dann historisch korrekt ist wird da für mich beinahe unwichtig, emotionalen Zugang sollte ein solcher Stoff im Zweifelsfall eher bieten und für mich sind die Pforten hier eher verschlossen geblieben

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  3. Gerne würde ich auf CharlesDexterWards Kommentar eingehen. Ich bin der Meinung,dass Scorseses Programm in Robin Hood solche Fragen komplett ausschließt.
    Mit dem grafischen Abspann markiert er die Legende zu der er ein "Prequel" gemacht hat. Dass dieser Prequel sich aber von der Geschichte als Realität distanziert markiert er ebenfalls grafisch, durch die Gestaltung der Zischentitel: mehrfach beschriebenes Papier, vieles davon unleserlich, Schichten von Schnörkel drumherum... Er benützt das Medium Film als Aussage gegen die Wahrheit der Geschichte, ein Medium der auf die Leinwand eine neue Dimension der Wirklichkeit erstellt, ohne sie eins zu eins zu wiedergeben.

    Christians Bemerkung kann ich gut nachspüren, denn ich wette dass sehr viele Besucher ein Gladiator beim kalten Wetter des Nordens erwartet haben, der Film distanziert sich aber relativ schnell von dieser Erwartung und schafft ein eigenes Rezepitionskontext.

    Und was Plottempo und Drehbuch angeht - es ist auffällig, das Crowe Robins Bogen nur zwei Mal spannt:).
    Schön aber, dass diese Kritik sich ausführlich mit den Charakteren auseinandersetzt. Es ist eine Abwechslung!

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  4. @Ciprian David
    Ich verstehe Dich nicht. Was soll die Aussage " Ich bin der Meinung,dass Scorseses Programm in Robin Hood solche Fragen komplett ausschließt. " heißen?
    Und super, das er (wer auch immer) geheime Botschaften im Abspann versteckt hat, in denen er sich von der etwaigen Realitätsbezogenheit seines Filmes distanziert, nur man muss das auch lesen können. Ich habe mir den Abspann tapfer angesehen, aber nichts dergleichen bemerkt.
    Und von einer "neuen Dimension der Wirklichkeit" zu sprechen - bitte was soll das?
    Es handelt sich um einen Robin Hood Film, der zu einem Möchtegern-Historienschinken vermurkst wurde.

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